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Warum an den Händen gehen die motorische Entwicklung negativ beeinflusst

Jeder motorische Entwicklungsschritt baut auf den nächsten auf. Die Bewegungsentwicklung im ersten Lebensjahr ist ganz individuell und bei jedem Kind von der Abfolge und Planung her etwas anders genetisch festgelegt. Es gibt bestimmte Meilensteine, die jedes Kind zu einem bestimmten Zeitpunkt erreicht haben sollte. Diese sind abhängig von der aktuellen Hirnreife des Kindes.

Einige Kinder krabbeln oder gehen etwas früher, die anderen etwas später. Jedoch ist der Zeitpunkt nicht ganz so wichtig, wie die Bewegungsqualität und die bis dahin erreichten Meilensteine die das Kind bis dahin zeigt.

Stehen und Gehen lernen ist ein eigener Prozess und einer der letzten motorischen Meilensteine in der motorischen Entwicklung im ersten Lebensjahr. Wenn das Kind einmal an Möbeln oder Gegenständen stehen kann, wird es erstmal hin und her wippen (nennt man auch Küstenschifffahrt) und dann beginnt es sich seitlich entlang zu bewegen. Dann wird es sich, wenn es sich sicher genug fühlt mit einer Hand irgendwo anhalten oder Möbelstücke durch die Gegend schieben.

In diesem Prozess lernt das Kind seine Balance über eine gute Stabilität der Füße, Beine und des Rumpfes zu halten. Die Füße bekommen erstmalig mehr Körpergewicht zu spüren und müssen sich dementsprechend muskulär anpassen.

Das Kind lernt ebenso, so wie ich heraufgekommen bin, komm ich auch wieder herunter.

Wenn wir 10 Menschen sagen würden, sie sollen sich vom Boden sitzend nun wieder aufstehen, würden wir 10 verschiedene Varianten sehen, wie dies möglich ist.

Jeder von uns steht auch vom Boden anders auf. Der eine zieht sich hoch an einem Möbelstück, der nächste steht über einen Einbeinkniestand auf und der dritte kommt über den Bärenstand nach oben. Jeder von uns macht es anders und wir stehen bei jeder Gelegenheit auch wieder anders auf als zuvor. Dies haben wir Erwachsene alle im ersten Lebensjahr gelernt und trainiert insofern man uns ließ.

Wenn jetzt von außen her das Kind immer hingestellt wird, kann es keinen eigenen Bewegungsplan dafür erstellen, sein Gleichgewicht und die passende Rumpf- und Beinstabilität dafür aufbauen. Ebenso kann das Kind kein Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten bilden, noch einen eigenen Handlungsplan wie es hinauf und hinunter kommt.

Wird ein Kind jedes Mal aufgestellt, kann es diese verschiedenen Varianten nicht oder nur zu einem kleinen Teil kennen lernen und für sich einstudieren.

Oft ist der Drang von Eltern oder Großeltern groß da „helfen“ zu wollen in dem sie das Kind an den Händen führen. Woher der Drang kommt seinem Kind das gehen beibringen zu wollen, in dem man es an den Händen über Kopf führt ist mir als Physiotherapeutin ein echtes Rätsel. Kein Mensch geht mit über Kopf ausgestreckten Armen! Tatsächlich bremsen sie so eher das Kind aus. Kinder, die mit über Kopf gehobenen Armen gehalten werden, lassen sich so gerne mit nach hinten geneigtem Oberkörper hineinfallen. Dadurch lernt das Kind nicht seinen Körperschwerpunkt nach vorne zu verlagern, seinen Rumpf und Becken optimal zu stabilisieren und auch das gekonnte Fallen auf die Hände sowie wieder aufstehen in verschiedenen Varianten ebenso zum Laufen lernen dazu gehört.

Auch Lauflernwägen, die man vorne weg schieben kann, sind für das eigene Erspüren von Kraft, Schnelligkeit und Koordination eher hinderlich. Oft sind sie viel zu schnell und die Kinder schaffen es nicht diese auszubremsen.

Hier gilt wie bei allen motorischen Entwicklungsprozessen „learning by doing“.

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