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Plagiocephalus

Wenn der Kopf nicht ganz rund ist

Heute möchte ich über eine der häufigsten Diagnosen schreiben, die mir in der Praxis begegnet-der Plagiocephalus als Syndrom des abgeflachten Hinterkopfes.

Den Eltern fällt oft schon am Telefon das Aussprechen der Diagnose schwer umso weniger häufig können sie damit etwas anfangen.

Ein abgeflachter Hinterkopf, wenn er früh genug erkannt wird kann mit wenigen physiotherapeutischen Einheiten behandelt werden.

Plagiocephalus kommt als Fachbegriff aus dem Griechischen und bedeutet frei übersetzt „schiefer Kopf“. Hierbei handelt es sich um eine Verformung der Schädelknochen, wobei eine Kopfseite vermehrt abgeflacht ist und die Gegenüberliegende eine vermehrte Rundung aufweist. Oft sind dann dadurch auch die Ohren einseitig mit verschoben. Besteht die Abflachung vermehrt symmetrisch am Hinterkopf bezeichnet man dies als Brachycephalus.

Oft geht ein Plagiocephalus einher mit einseitigen Verspannungen im Bereich der Hals-und Nackenmuskulatur sowie einer asymmetrischen Rumpf-und Beckenhaltung.

Normale runde Kopfform, Ohrachse symmetrisch
rechtsseitig abgeflachte Kopfform, Ohrenachse asymmetrisch

Welche Ursachen sind für eine Abflachung am Kopf verantwortlich?

Der Kopf eines Säuglings besteht aus mehreren Schädelplatten, die mit noch offenen Schädelnähten verbunden sind. Diese Schädelknochen sind alle noch sehr weich und verformbar. Das müssen sie auch sein, damit das Kind während der Geburt perfekt durch den Geburtskanal geboren werden kann.

Auch in den ersten 6-7 Monaten bleiben diese Knochen am Kopf noch weich und die Nähte offen. Sie sind auf permanenten Druck leicht verformbar.

Seit 1992 gibt es die internationale Empfehlung von der American Academy of Pediatrics (AAP) Babys beim Schlafen vermehrt am Rücken liegen zulassen um das Risiko eines plötzlichen Kindstodes zu minimieren. Zeitgleich nahmen laut mehreren Studien die Anzahl an Plagiozephalien stetig zu.

Es gibt verschiedene Ursachen, die dazu beitragen können, dass das Risiko einer Entstehung eines flachen Kopfes begünstigt wird.

Eine Frühgeburt, Erstgeburt oder Mehrlingsgeburten sind nur einige Beispiele dafür.

Einseitige Lagerungen am Rücken sowie ein einseitiges Reizangebot (nur von einer Seite ansprechen, tragen, füttern) können eine asymmetrische Kopfverformung begünstigen.

Auch Bewegungseinschränkungen der Halswirbelsäule aufgrund von Torticollis (muskulärer Schiefhals) können ursächlich für einen Plagiocephalus sein.

Welche Folgen können daraus entstehen?

Wird die schiefe Abflachung des Kopfes und die einseitigen Verspannungen der Hals- und Nackenmuskulatur nicht behandelt, kann sich das auf das Wachstum des Kiefers und der Wirbelsäule negativ auswirken. Da die Schädelknochen sich dann einseitig ausbreiten verläuft die Ohrachse somit nicht linear symmetrisch. Das kann ein asymmetrisches Wachstum des Kiefers hervorrufen und somit später zu einem Fehlbiss beitragen, der im Jugendalter kieferorthopädisch behandelt werden muss.

Auch die gesamte Wirbelsäule kann weiterlaufend in Mitleidenschaft gezogen werden. Aufgrund der unterschiedlichen Spannungszustände und Verkürzungen der Muskulatur kann sich die Wirbelsäule seitlich verbiegen und somit Fehlhaltungen verursachen.

Gerade im ersten Lebensjahr kann eine asymmetrische Kopfverformung motorische Entwicklungsverzögerungen nach sich ziehen.

Durch asymmetrische Spannungszustände der Rückenmuskulatur und Nackenmuskulatur fällt es dem Kind schwer sich in Rücken -und Bauchlage zu stabilisieren und sein Gleichgewicht zu finden.

Was kann man dagegen tun?

Studien dazu haben ergeben, je früher man mit einer Behandlung beginnt umso einfacher ist die Behandlung und leichter der Verlauf. Meine Erfahrungen damit in der Praxis zeigen ähnliche Ergebnisse.

Die Behandlung wird meist konservativ durchgeführt mittels Lagerungen, Physiotherapie, osteopathischen und manualtherapeutischen Techniken. Bei sehr schweren Verläufen wird auch mit einer Helmtherapie zusätzlich der Kopf versorgt.

In der Physiotherapie wird, nachdem einige Fragen zur Geburt und Schwangerschaft von den Angehörigen des Säuglings beantwortet wurden ein motorischer Check-Up in Rücken- und Bauchlage durchgeführt. Hierbei kann der/die PhysiotherapeutIn schon oft erkennen, wo das Problem liegt.

Es werden den Sorgeberechtigten des Kindes Lagerungen gezeigt, sowie Handgriffe, mit denen das Baby aufgehoben, getragen, hingelegt sowie an- und ausgezogen werden kann. Dadurch reduziert sich der Druck auf den noch weichen Schädel.

 Je nach Ausbildung des/der Physiotherapeuten/In, werden passive Techniken angewandt um die verspannte Hals- und Nackenmuskulatur zu entspannen.

In regelmäßigen Abständen schaut sich der/die TherapeutIn das momentane Ergebnis an und gibt Übungen zur Förderung der motorischen Entwicklung mit.

Zusätzlich zur Physiotherapie können Hilfsmittel wie ein Lagerungskissen für den Kopf oder ein Helm sinnvoll sein.

Das Lagerungskissen ist so gestaltet, dass durch eine Mulde in der Mitte des Polsters der Druck auf den Hinterkopf entlastet wird und gleichzeitig das Kind symmetrisch am Rücken liegen kann. Dies sollte vorher mit Kinderarzt/ärztin oder Physiotherapeut/In abgesprochen werden.

Lagerungskissen wie diese entlasten den Druck auf den Hinterkopf und halten den Kopf in einer Mittelstellung

Eine Helmtherapie ist dann notwendig, wenn die Ohrachse und die Verformung des Schädels sich durch die Maßnahmen in der Physiotherapie und den Lagerungen nur ein geringfügig bessern. Ein Kinderorthopäde/in sowie die Orthopeditechniker/in ist hierbei dann die nächste Anlaufstelle.

Bildquelle: Stockphoto

Studienquellen:

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7206465/

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28835328/

https://www.aerzteblatt.de/archiv/192646/Lagerungsbedingte-Schaedeldeformitaeten

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/16700433/

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/8657530/

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33262962/

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/17272603/

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/18678802/